Ingrid, 80, Facharbeiterin für Pflanzen- und Tierproduktion
Sachsen-Anhalt
Ein harmloses Gespräch über Politik wird für Ingrids Vater zum Verhängnis. Nach Kritik an der SED wird er verhaftet, die Familie steht vor großen Herausforderungen – ein Leben zwischen Angst, harter Arbeit und dem Kampf ums Überleben.
Er saß am 17. Oktober 1954, es war ein Sonntag, in der Dorfkneipe im Nachbarort, um ein paar Bier zu trinken. Und, wie es nun mal so üblich war, es wurde über Politik geredet. Dass über politische Themen geredet wurde, lag auf der Hand, denn es war ein Wahlsonntag. An dem Tag fand in der DDR die Volkskammerwahl statt. Mein Vater vertrat aber bereits damals die Meinung, dass es sich nicht um freie Wahlen handelt, sondern um Scheinwahlen. Wählern, die mit Nein oder Enthaltung stimmten, drohte Verfolgung. Doch mein Vater machte seinem Herzen Luft und ließ offenbar kein gutes Haar an der SED. Irgendjemand muss das nicht gefallen haben, denn die Polizei wurde heimlich verständigt. Die stand plötzlich mitten in der Dorfkneipe und führte unseren Vater vom Biertisch weg ab. Meine Mutter, die zu Hause war, wusste von all dem nichts. Erst als am Nachmittag unser Nachbar nach Hause kam, erzählte er das Geschehene. Er konnte lediglich sagen, dass der Vater nach Gera ins Gefängnis gekommen sei. Am nächsten Tag machte sich meine Mutter auf den Weg in die gut 30 Kilometer entfernt liegende Bezirksstadt, wo sie sich mühevoll durchfragen musste, wo genau unser Vater einsaß. Drei Tage später gab es bei uns eine Hausdurchsuchung, bei der alles durchwühlt wurde. Am 27. Dezember fand die Verhandlung in Gera statt.
Wer zu der Zeit in der DDR lebte, wusste genau, dass es keinen fairen Prozess gab. So stand von vornherein fest, dass unser Vater verurteilt wird: Er erhielt drei Jahre und drei Monate Haft. Nach zwei Jahren wurde er entlassen. Wohlgemerkt, für einige unbedarfte Worte nach ein paar Bier in der Dorfkneipe. Es war nicht zu fassen! Uns machte die Abwesenheit des Vaters seelisch zu schaffen. Meine Mutter musste in der Zeit die Arbeit auf dem Bauernhof allein bewerkstelligen, aber auch wir Kinder wurden mehr als üblich herangezogen. Die Bauern im Dorf ließen uns zum Glück nicht allein. Sie unterstützten uns so gut es ging. Ohne diese Hilfe hätten wir das nie geschafft. Die Kühe mussten täglich mit der Hand gemolken werden. Jeden Tag galt es, Futter für die Tiere zu holen. Mit 16 Jahren war für mich spätestens um 4 Uhr die Nacht zu Ende. Ich spannte die Pferde vor den alten Holzwagen an und ab ging's zur Milchrampe im Dorf, um etwa 25 volle Milchkannen aufzuladen. Eine allein brachte etwa 30 Kilogramm auf die Waage. Die Pferde kannten den Weg zur Molkerei schon fast von allein.
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