Ramona, 61, Prokuristin, Sachsen-Anhalt
Diese Frau hat sich durchs Leben gekämpft. Ein Krebsleiden besiegte sie ebenso wie berufliche Strecken der Unsicherheit. Sie leitete als Prokuristin erfolgreich einen Industriebetrieb mit über 230 Beschäftigten, der zugleich ein begehrter Arbeitgeber in der Region war.
Familiär hatten wir in der DDR keinen ganz leichten Start. Während des Abiturs lernte ich meinen Mann kennen. In einem Intensivkurs absolvierte ich eine Lehre zur Handelskauffrau und begann mein Fernstudium an der Universität in Halle. Ja, und wie das so ist im Leben - ich wurde schwanger. Tagsüber büffeln, abends büffeln und nebenbei versorgte ich unseren kleinen Jungen. Mein Mann hatte seinen Job, wir teilten uns rein in die Hauswirtschaft. Es war keine einfache Sache. Nach fünfeinhalb Jahren hatte ich meinen Abschluss als Diplomökonomin mit Auszeichnung in der Tasche. Geschafft. Kurzerhand bewarb ich mich in einer Maschinenbaufabrik, die 450 Mitarbeiter zählte. Dort sah ich meine Chance, mich weiterzuentwickeln, und zwar in der Materialwirtschaft. Innerhalb kurzer Zeit wurde mir die Leitung dieses Bereiches übertragen. 20 Leute hörten nun auf meine Anweisungen: drei Männer und 17 Frauen. Das Schöne daran: Ich wurde akzeptiert, wir waren eine dufte Truppe. Das Schwere daran: In der DDR an Material heranzukommen, egal in welcher Branche, glich einer Herkulesaufgabe. Der Bereich Materialwirtschaft hatte es in sich, Zuckerschlecken war das bestimmt nicht. Wir bauten damals Maschinensysteme für die Sowjetunion. Meine Aufgabe bestand unter anderem darin, dass immer Schaltschränke, Wälzlager und Motoren auf Lager zu sein hatten, damit die Produktion nicht stockte.
Sehr oft musste ich nach Berlin. Zu unserem Kombinat, in dem die Wälzlager bestellt und zugleich auch verteilt worden sind. Ich musste nachweisen, dass ich beispielsweise ganz dringend ein Wälzlager benötigte. Konnte ich das nicht, bekam ich keins. Um dennoch Teile aufzutreiben, baute ich Beziehungen zu anderen Betrieben auf, um von denen etwas abzustauben. Es war einfach bloß irre. Eine Hand wäscht die andere - das war das Motto jener Jahre. Ständig galt es, zu überlegen, wie ich an Material herankam. Das war zugleich meine beste Lehre, unfreiwillig natürlich. Aber: Ich lernte, flexibel zu sein. Die zwei Männer, die vor mir diesen Job machten, schmissen beizeiten hin. Sie brachten nicht das Durchsetzungsvermögen auf, während ich mich durchgebissen habe. Ich hätte ebenfalls sagen können, es geht nicht. Aber den Satz brachte ich nie über die Lippen. Im November 1989 waren mein Mann und ich zum ersten Mal bei den Schwiegereltern in Peine. Sie machten uns Mut, im Westen zu bleiben und zuzugreifen, sie würden uns unterstützen. Aber ich wollte nicht. Schon zu DDR-Zeiten sagte ich mir: Du machst was aus deinem Leben, du schaffst das. Mir ist nichts in den Schoß gefallen. Es herrschte 1989 ein heilloses Durcheinander. Die viel wichtigere Frage lautete damals: Wie weiter? In unserem Betrieb kam Unruhe auf, Unsicherheit. Einige Führungskräfte nahmen das Heft des Handelns in die Hand, wir koppelten uns vom Kombinat in Berlin ab und knüpften Kontakt zum Mutterbetrieb im Westen. 1949 war das Familienunternehmen, das sich dem Werkzeugmaschinenbau widmete, enteignet worden. Nun standen wir vor der Tür und klopften an, ob sie uns nicht übernehmen würden. Der Senior war sofort Feuer und Flamme, er zeigte sich heimatverbunden und wollte einen Teil der Mitarbeiter übernehmen und im Osten neu durchstarten. Der Plan war gut, das Vorhaben löste indes Unbehagen aus. Denn die logische Konsequenz war, dass Kündigungen unausbleiblich waren. In dieser Zeit war es möglich, dass man 57 Jahren in den Ruhestand gehen konnte. Aber siehe da, keiner wollte. Es begann in unserem Betrieb eine unschöne Zeit, eine voller Intrigen und bösen Anfeindungen. Der Seniorchef der Mutterfirma kündigte sich Anfang des Jahres 1990 mit einem Stab an Beratern bei uns an, es sollten Gespräche mit der Führungsriege stattfinden. Ich weiß es noch wie heute: Einen Tag zuvor kam der Vertriebsleiter zu mir ins Zimmer und machte mir mit scharfzüngigen Worten klar: „Den Posten des Chefeinkäufers beanspruche ich. Du funkst mir hier nicht dazwischen, ist das klar?“ Der Tag nahte, der Seniorchef war im Haus. Wir sollten in den Zimmern bleiben, jeder würde an die Reihe kommen. Ich gebe zu, ich war unheimlich aufgeregt, mein Herz raste, ich hatte Mühe, mich unter Kontrolle zu halten. Dann endlich: Ich wurde gerufen. Im Gespräch mit dem großen Boss entwickelte ich meine Ideen zum Einkauf, genau jetzt brachte ich meine Flexibilität aus DDR-Zeiten zur Geltung. Ich muss dem Chef imponiert haben, denn am Ende sagte er: „Sie machen künftig den Einkauf.“ Ich hatte einen Job! Das Mutterunternehmen startete mit 150 Leuten und 15 Lehrlingen. Als Prokuristin hatte Ramona ein Jahresgehalt von 85 000 Euro...
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